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Diether Schmidt

Als fast Mittvierziger hat Thomas Jastram die Stufe zur Reife erklommen. Offenbar ist es dem Bildhauer geboten, erst diese Schwelle zu überschreiten. Zu Rostock, abseits der zu Auffälligkeiten verführenden großen Kunstzentren aufgewachsen und ansässig geblieben, konnten ihn auch das Studium und die Meisterschülerzeit in Dresden nicht bestimmen. Er hat den heute nicht mehr häufigen langen Weg von der Bildhauerlehre (beim Onkel Jo Jastram) übers Studium bis zu nun eigenem Lehren durchgestanden. Einige seiner Arbeiten haben bereits den öffentlichen Raum erobert und bewähren sich dort. Gern und oft beteiligt er sich an Wettbewerben und erlebt hierbei Erfolge. Dabei ist seine Kunst durchaus traditionell an Porträt und Akt, Ross und Reiter orientiert.

Thomas Jastram schielt nicht nach berühmten Vorbildern, noch stilisiert er sich selbst zu andersartigen Formensprachen und Materialien. Ganz naiv vertraut er auf die eigene Sicht und die persönliche Erfahrung im Zusammenstoß mit dem eigenen Erlebnis. Er braucht das objektivierende Gegenüber der Realität. Ebenso verharrt er in vertrauten Vortragsweisen der modellierenden Gestaltung, im korrekturenreichen Antragen des Tons, in Gipsausformung und Bronzeguss. Das setzt eine bedachtsame Arbeitsweise voraus. Vertiefende Entwicklungen werden nicht kurzschlüssig forciert, sondern dem Fortschreiten der Arbeit überlassen. Rund zwanzig Jahre Tätigkeit als Bildhauer stellen das allmähliche Reifen zum Eigenen unaufdringlich vor Augen.

So offenbart das Werk eine beachtliche innere Gelassenheit voll Zutrauen zum langen Lebensweg. Noch macht sich eine starke Abhängigkeit vom Modell und seinen zufälligen Erscheinungsformen und Befindlichkeiten bemerkbar. Die am Akt gelegentlich befremdliche Porträthaftigkeit der Köpfe wird zunehmend zurückgenommen. Impressiver Vortrag geht einher mit Respekt vor der individuellen Form. Systematik dringt schon vor in den Grundhaltungen von Stehen, Sitzen, Liegen. Entschiedenste Reife erweist sich seit Beginn am Porträt. Das Menschenbild ist offenkundig die Domäne Jastrams. Instinktsicher meidet der Künstler bei aller Wirklichkeitsnähe das erzählend Genrehafte. Er weiß die plastisch fruchtbaren Momente der Bewegungen und Haltungen gelassen zu erlauschen.

Mit der Hingabe an seine Modelle vereint er die Hingabe an die Kollegen der Zunft. Gern dient er der Würdigung ihm bedeutender Lebenswerke mit Ausstellungen, etwa für Hans Wimmer, Gerhard Marcks oder Ludwig Kasper. Tief sind die gerade bei den Bildhauern verbreiteten Tugenden bescheidenen Zusammenstehens in ihm verwurzelt. Ob in Freiburg, Hamburg oder Kiel, in Paris, Tokio, auf Bornholm oder im englischen Blackburn, weithin konnte Thomas Jastram seine Kunst schon bekanntmachen. Der Mann ist auf gutem Wege.

Diether Schmidt 2004